Soziale Wohnungspolitik

„Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung (…)“ (Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte).

Von dem Ziel der Sicherstellung einer menschenwürdigen Wohnraumversorgung sind wir weit entfernt. Fehlende bezahlbare Wohnungen tragen zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich bei. Bezahlbar bedeutet, dass lediglich 30% des zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommens für Wohnen (Miete und Mietnebenkosten) ausgegeben werden. Laut einer Erhebung der Böckler-Stiftung von 2019 beträgt der Anteil z.B. in Saarbrücken 45,5% und liegt damit bundesweit im oberen Drittel.

Besonders betroffen sind einkommensarme Haushalte, insbesondere Alleinerziehende, aber auch kinderreiche Familien, Studierende, finanzschwache Rentner*innen, Flüchtlinge…. Die große Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt – insbesondere in den Städten – führt dazu, dass zunehmend Menschen überhaupt keine Wohnung mehr erhalten. Die Zahl der Wohnungslosen – also Menschen, die keinen eigenen Mietvertrag haben – steigt auch im Saarland an. So berichten Wohlfahrtsverbände, die Wohnungslosenhilfe leisten, dass die Nachfragen nach Beratung und Unterstützung in den letzten Monaten deutlich angestiegen sind. Und bereits vor der Energiekrise wurde die Zahl der wohnungslosen Menschen in Saarbrücken auf rund 1.000 geschätzt, inzwischen dürften es deutlich mehr sein.

Es fehlt angemessener Wohnraum, also solcher, der bewohnbar, nicht baufällig, rechtlich abgesichert und dauerhaft, gleichzeitig bezahlbar ist. Und es fehlt barrierefreier oder -armer Wohnraum, was angesichts der demographischen Entwicklung zu massiven Problemen führen wird.

Das Saarland ist Schlusslicht beim sozialen Wohnungsbau. Jahrelang wurde die Problematik von der Landesregierung heruntergespielt, Zuschüsse des Bundes wurden nicht abgerufen bzw. verausgabt. Die jetzige Regierung hat dieses Thema aufgegriffen, Bauminister Jost verspricht eine Überarbeitung der Förderrichtlinien. An diesen Versprechungen muss er sich messen lassen. Und auch Sozialminister Jung ist aufgrund der Vorfälle in Saarbrücken – Räumung von Zelten von Obdachlosen durch Ordnungsamt und Polizei – unter Druck gekommen und verspricht verstärkte Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit.

Aus Sicht der GRÜNEN SAAR sind auf verschiedenen Handlungsebenen Maßnahmen erforderlich und zu diskutieren:

Auf Landesebene:

  • Überarbeitung der Förderrichtlinien für sozialen Wohnungsbau: So schlägt z.B. die Architektenkammer vor, Zuschüsse flexibler zu handhaben und nicht starr pro Quadratmeter und vorgegebenem Mietpreis zu vergeben.
  • Umbau statt Neubau: so könnten Gebäude aufgestockt oder erweitert werden, denkbar sind auch Umnutzungen von z.B. Bürogebäuden oder leerstehenden Kaufhäusern.
  • Experimentelles Bauen: Bundesweit diskutiert wird der Gebäudetyp E. E steht für experimentell und einfach. Gemeint ist damit z.B., dass so wenig Materialien wie möglich verwendet werden und ggfs. Abstriche am Komfort hingenommen werden.
  • Anreize schaffen für gemeinschaftliches Wohnen, Bauen, Umbauen
  • Deutliche Vorgaben für barrierefreies Bauen, wie es auch der VdK fordert.
  • Alle Bau- und Umbaumaßnahmen müssen Klimaschutzkriterien genügen und nachhaltig sein.
  • Eine Versorgung mit angemessenem Wohnraum und die Vermeidung von Wohnungslosigkeit sollte hohe Priorität erhalten. Dafür müssen die verschiedenen Ressorts zusammenarbeiten. Sinnvoll ist z.B. die Bildung einer interministeriellen Arbeitsgruppe, in die auch Expert*innen aus der Praxis einbezogen werden.
  • Konsequente Anwendung der Möglichkeiten nach dem saarländischen Wohnungsaufsichtsgesetz. Dieses Gesetz soll sog. Schrottimmobilien verhindern. Es regelt z.B. ein Betretungsrecht und Mindestausstattung für Wohnungen. Möglich ist die Verhängung von Bußgeldern und letztendlich die Räumung. Diskutiert werden sollte auch die Möglichkeit von Enteignungen.
  • Programm zur Prävention von Wohnungsnotfällen: Förderung von zentralen Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungsverlusten in den Kommunen unter Beteiligung der Wohlfahrtsverbände.
  • Förderung von Netzwerken zwischen privaten Vermietern oder Wohnungsunternehmen und Kommunen und freien Trägern zur Prävention von Wohnungsverlusten und zur Erschließung von Wohnraum. Dadurch soll einerseits ein „Warnsystem“ vor Wohnungsverlust (Kündigung aufgrund ausstehender Mietzahlungen o.Ä.) aufgebaut werden und andererseits freistehende Wohnungen identifiziert und akquiriert werden.
  • Ausweitung der Leistungen nach SGB XII §§ 67 ff. (Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten). Ausbau der vorhandenen Leistungen: Notwendig sind mehr Beratungskapazitäten in den Ballungsräumen und eine Ausweitung in die Fläche, d.h. in alle größeren Kommunen im Saarland. Ebenfalls notwendig sind die Unterstützung und bedarfsgerechte Unterbringung/Versorgung von wohnungslosen Frauen und von psychisch erkrankten wohnungslosen Menschen.
  • Konsequenter und dauerhafter Ausbau von „Housing first“: Wohnungslose Menschen werden in diesem Programm durch Sozialarbeiter*innen eines Wohlfahrtsverbandes in Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt vermittelt, sie erhalten einen Mietvertrag ohne Bedingungen und können unterstützende Leistungen bei Bedarf erhalten. Dahinter steht die einfache Tatsache, dass Wohnungslosigkeit am besten mit einer Wohnung zu beenden ist.

Auf kommunaler Ebene: Letztlich stehen die Kommunen in der Verantwortung für die Wohnungsversorgung aller ihrer Bürger*innen. Die Kommunen sind für die Unterbringung aller Menschen zuständig, die sich hier aufhalten.

  • Sinnvoll sind kommunale Wohnraumversorgungskonzepte als Rahmen, in die alle Akteure auf kommunaler bzw. Kreisebene einbezogen werden (Wohnungswirtschaft, private Vermieter*innen, soziale Dienste, Einrichtungen der Hilfen im Wohnungsnotfall).
  • Auf kommunaler Ebene können baurechtliche Rahmenbedingungen gestaltet werden. Ein Ansatz ist es, dass ein festgelegter Prozentsatz von neu zu erstellenden Wohnungen im öffentlich geförderten Segment gebaut werden müssen (in Saarbrücken z.B. 30%).
  • Gründung bzw. Sicherung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften als unverzichtbares Steuerungsinstrument auf kommunaler Ebene
  • Konsequente Anwendung des Wohnungsaufsichtsgesetzes (s.o.)
  • Förderung von Fachstellen zur Prävention von Wohnungslosigkeit (s.o.) entweder in kommunaler Trägerschaft oder in Zusammenarbeit mit freien Trägern der Wohnungslosenhilfe.
  • Umwandlung von ordnungsrechtlichen Unterkünften in Sozialwohnungen: Oft wohnen obdachlosen Menschen über viele Jahre in ordnungsrechtlichen Wohnungen. Sinnvoll wäre, diese Schlichtbauten in Sozialwohnungen umzuwandeln mit dauerhaften Mietverträgen.
  • Richtlinien zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft: Die KdU-Richtlinien müssen am Mietspiegel angepasst sein. Zu niedrig bemessene KdU können mittel- und langfristig zu einer Überschuldung der einkommensarmen Haushalte führen. Hier gibt es eine Reihe von Regelungsmöglichkeiten unter kommunaler Zuständigkeit.

 

Saarbrücken, 10.3.23

Sigrun Krack / Thomas Brass