Grüne für Parlamentsbeteiligungsgesetz

Tressel: Landtag muss sich neuen Herausforderungen stellen

Als Reaktion auf die Einrichtung einer Projektgruppe „Stärkung der Parlamentsarbeit“ durch Landtagspräsident Stephan Toscani sprechen sich die saarländischen Grünen für ein Parlamentsbeteiligungsgesetz aus, um die Kontrolle und Beteiligung des Saar-Landtags in föderativen Angelegenheiten maßgeblich zu stärken. Lediglich am Innenverhältnis zu arbeiten, so Grünen-Landeschef Tressel, werde der wachsenden Kluft zwischen Regierung und Parlament nicht gerecht, wie derzeit bei der Corona-Krise sichtbar. Der Grünen-Politiker appelliert an den Landtag, sich wie andere Landesparlamente den neuen Herausforderungen zu stellen. Die Menschen erwarteten, dass das Parlament seiner Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion auch nachkomme, statt vor dem zunehmenden Bedeutungsverlust zu resignieren.

„Die neue Projektgruppe ‚Stärkung der Parlamentsarbeit‘, die Landtagspräsident Toscani eingerichtet hat, ist ein wichtiger Schritt, der allerdings angesichts des offensichtlich fortschreitenden Bedeutungsverlusts des Landtags lediglich am Innenverhältnis ansetzt und offenbar das größere Problem, die wachsende Kluft zwischen einer einflussreichen Landesregierung und eines immer ohnmächtigeren Landtags, ausblendet“, kritisiert Markus Tressel, Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Saar.

Die Problematik werde insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Krise sichtbar. Tressel: „Obwohl der Landtag wieder regulär tagt, überlässt er es allein der Landesregierung, die notwendigen Grundrechtseingriffe auf Grundlage des Bundesinfektionsschutzgesetzes vorzunehmen. Wichtig wäre aber ein formales Landesgesetz auf Grundlage von Artikel 80 Absatz 4 Grundgesetz für die wesentlichen Maßnahmen, auch um ein schleichendes Legitimitäts- und Demokratiedefizit zu vermeiden und damit die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen langfristig zu erhalten. Offenbar machen es sich die Regierungs-, wie auch die Oppositionsfraktionen, zu bequem oder haben bereits resigniert.“

Der Grünen-Politiker fordert daher ein Parlamentsbeteiligungsgesetz nach dem Vorbild anderer Landesparlamente, um die Parlamentsarbeit nachhaltig zu stärken. Tressel: „Nicht nur die Corona-Krise, sondern auch die zunehmende Selbstkoordination der Ministerpräsidenten und Fachminister oder auch die fehlende Mitwirkung bei der europäischen Integration stellen den Landtag vor neue Herausforderungen. Während andere Landtage mit Parlamentsbeteiligungsgesetzen ihren Einfluss geltend machen, bleibt der Saar-Landtag untätig oder verlässt sich auf freiwillige Vereinbarungen. Die Menschen im Saarland erwarten allerdings, dass der Landtag seine Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion auch erfüllt.“

Tressel schlägt in einem Drei-Punkte-Konzept konkrete Maßnahmen vor, um Kontrolle und Beteiligung des saarländischen Landtags im Rahmen eines Parlamentsbeteiligungsgesetzes in föderativen Angelegenheiten zu stärken:

1 . Informations- und Beteiligungsrechte in Bundesangelegenheiten ausbauen

Während viele Landesverfassungen klare Informationsrechte des Parlaments vorsehen, gibt es im Saarland keine einschlägige Regelung über die Information des Landtags durch die Regierung in föderativen und äußeren Angelegenheiten – mit Ausnahme von wichtigen staatsrechtlichen Vereinbarungen, die nicht der Ratifikation bedürfen und Angelegenheiten der Europäischen Union.

Geregelt wird die Parlamentsinformation lediglich unzureichend in einer „Vereinbarung über die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung“ vom 10. November 1987, die Teil der Geschäftsordnung der Landesregierung ist. Die freiwillige Vereinbarung beinhaltet die Unterrichtungspflicht über bestimmte Bundesratsangelegenheiten wie Grundgesetzänderungen sowie über die Ergebnisse der Ministerpräsidenten- und Fachministerkonferenzen. Zudem verpflichtet sich die Landesregierung, den Landtag rechtzeitig vor Abschluss von Staatsverträgen (die dieser ohnehin ratifizieren muss) zu unterrichten und konkretisiert die Unterrichtspflicht bei staatsrechtlichen Vereinbarungen, die aber nicht erweitert wird. Beteiligungsrechte sieht die Vereinbarung keine vor.

Der Landtag des Saarlandes sollte nach dem Vorbild anderer Landesparlamente die Informationspflichten der Landesregierung künftig auf eine gesetzliche Grundlage stellen, ausbauen und – soweit rechtlich möglich – Beteiligungsrechte schaffen. Die Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung sollte daher in ein Landesgesetz überführt und die wesentlichen Punkte zum Schutz von Oppositionsrechten in der Verfassung verankert werden.

In diesem Zusammenhang sollten die Unterrichtungspflichten über sämtliche Bundesratsangelegenheiten ausgeweitet werden. Unterrichtet werden sollte der Landtag ferner über alle Aktivitäten grenzüberschreitender Zusammenarbeit und über Verhandlungen zu Staatsverträgen. Insbesondere bei Bundesratsangelegenheiten muss die Landesregierung dem Landtag rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme geben und diese in ihrer Willensbildung berücksichtigen bzw. bei Angelegenheiten, die Gesetzgebungszuständigkeiten des Landes wesentlich berühren oder Änderungen des Grundgesetzes zum Gegenstand haben, maßgeblich berücksichtigen. Unstreitig ist, dass das Grundgesetz keine Weisungen des Landtags an die Landesregierung in Bundesratsangelegenheiten zulässt.

2. Landtag bei der europäischen Integration stärken

Laut Landesverfassung muss die Landesregierung den Landtag zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die für das Land von herausragender politischer Bedeutung sind und wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren, unterrichten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Sind Gesetzgebungszuständigkeiten des Saarlandes bei Vorhaben wesentlich berührt oder sollen Hoheitsrechte des Landes auf die Europäische Union übertragen werden, berücksichtigt die Landesregierung die Stellungnahme.

Statt in einem Landesgesetz werden Einzelheiten somit lediglich unzureichend in einer Vereinbarung zwischen Regierung und Landtag geregelt. Ausdrücklich weist diese, im Jahr 2009 geschlossene Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtages durch die Landesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union sogar darauf hin, dass die Landesregierung rechtlich nicht an die Stellungnahme des Landtags gebunden sei und lediglich nach der Sitzung des Bundesrats dem zuständigen Landtagsausschuss auf Anforderung die maßgeblichen Gründe bei berücksichtigungspflichtigen Stellungnahmen mitteilt.

Um die europäische Integration voranzubringen und insbesondere die Übertragung von Hoheitsrechten auf eine demokratischere Grundlage zu stellen, ist es geboten, wie in anderen Bundesländern auch, die Landtagsinformation und -beteiligung in einem Landesgesetz und die wesentlichen Punkte in der Landesverfassung zu regeln und diese darüber hinaus auszubauen.

Handlungsbedarf gibt es insbesondere in der Landtagsbeteiligung bei der Übertragung von Hoheitsrechten, der Tangierung von Gesetzgebungszuständigkeiten durch EU-Recht oder bei EU-Vorhaben, die die kommunale Selbstverwaltung und kommunale Daseinsvorsorge betreffen. Die Stellungnahmen des Landtags sollten in diesen Fällen von der Landesregierung bei ihrer Mitwirkung bei der europäischen Integration im Bundesrat maßgeblich berücksichtigt werden müssen. Sollen Hoheitsrechte übertragen werden oder sind Gesetzgebungszuständigkeiten unmittelbar betroffen, sollte die Landesregierung in ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat ausnahmsweise gebunden werden können.

3. Landtag bei Vorbereitung von Verordnungen besser unterrichten

Im Gegensatz zu anderen Landesverfassungen trifft die Verfassung des Saarlandes keine Regelung darüber, den Landtag über die Vorbereitung von Verordnungen zur Ausführung von Bundesgesetzen zu unterrichten – dies betrifft insbesondere auch die Corona-Rechtsverordnung.

Eine Regelung existiert lediglich in der Geschäftsordnung der Landesregierung. Demnach sollen Rechtsverordnungen, denen die Regierung erhebliche politische Bedeutung beimisst, vorher den Landtagsfraktionen zur Verfügung gestellt werden. Dies ist unzureichend. Ob einer Rechtsverordnung erhebliche politische Bedeutung zukommt, muss der Landtag selbst entscheiden können.
Rechtsverordnungsentwürfe auf Grund von Bundesgesetzen sollten deshalb wie Gesetzentwürfe ebenso dem Landtag zugeleitet werden müssen, wobei hierbei in einem abgestuften Verfahren eine Informationspflicht gegenüber dem Landtagspräsidenten ausreichend sein dürfte. Zugleich sollte die Landtagsbeteiligung gesetzlich oder sogar verfassungsrechtlich festgeschrieben werden, wie dies in anderen Bundesländern der Fall ist.