Saargrüne: Kultusministerin irrlichtert bei Ursachensuche für desaströse Lerndefizite

Die Saar-Grünen haben die saarländische Öffentlichkeit auf die besorgniserregenden Englisch- und Französisch-Kompetenzdefizite der saarländischen Schülerinnen und Schüler aufmerksam gemacht. Die katastrophalen Englisch-Ergebnisse vermochte die Kultusministerin gegenüber der SZ nur mit der angeblich im Saarland „stärkeren Fokussierung auf Französisch“ zu erklären.

Volker Morbe, Landesvorsitzender der Grünen im Saarland, hierzu: „Ist sich das Kultusministerium
bewusst, dass es mit dieser Erklärung die Grundlage der Frankreichstrategie, dass nämlich Französisch und Englisch gleichermaßen gut gelernt werden sollen und können, zerstört? Und wie passt zu dieser Aussage, dass sich neben den Englischkompetenzen auch die Französischkompetenzen in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert haben? Wie, dass im Saarland Englisch als erste Fremdsprache immer häufiger gelernt wird und die Zahl der Französischlerner*innen zurückgeht?“

Eigentlich sollte mit der Frankreichstrategie von 2014 ja die Mehrsprachigkeit gestärkt und das Lernen von Französisch und Englisch in starkem Maße gefördert werden, so Volker Morbe. Das Saarland sollte zu „einem leistungsfähigen multilingualen Raum deutsch-französischer Prägung“ weiterentwickelt werden. Doch laut Bildungstrend (BT) 2022 des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, das die Englisch- und Französischkompetenzen in den Bundesländern untersucht hat, ist das Niveau der Französisch- wie der Englischkompetenzen der saarländischen Schülerinnen und Schüler nicht gestiegen, sondern stark gesunken!

Die fehlende Qualitätsorientierung der Kultusministerin kritisiert Saar-Grünenchef Morbe scharf: „Aus unserer Sicht drängt sich der Eindruck auf, dass das Ministerium die Ergebnisse des Bildungstrends 2022 erst gar nicht wirklich zur Kenntnis genommen hat und deshalb Spekulationen anstellt, die jeder Basis entbehren. Hintergrund dürfte sein, dass die „datengestützte Unterrichtsentwicklung“ als wichtigstes in der Kultusministerkonferenz vereinbartes schulisches Qualitätsinstrument im saarländischen Kultusministerium schlichtweg nicht umgesetzt wird, weil die Bildungsstandards ebenso wie die entsprechenden Schülerleistungen vollständig aus dem Fokus geraten sind. Statt die Ergebnisse der Bildungstrends ernst zu nehmen, hat sich die Kultusministerin in den letzten Jahren im vermeintlichen Glanz guter Platzierungen im Länderranking des Bildungsmonitors der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gesonnt. Dabei berücksichtigt dieser in erster Linie bildungsökonomische Fragen und nur zu einem winzigen Teil die erreichten Kompetenzen der Schüler*innen. Nicht die Schülerinnen und Schüler haben versagt, sondern das Kultusministerium! Die massive Verschlechterung der Schülerleistungen im Saarland geht auf jahrelange Versäumnisse von Ministerin Streichert-Clivot und ihres Vorgängers Commercon zurück.“ „Die Frankreichstrategie wird weiter grundsätzlich von den Saar-Grünen unterstützt“, so Volker Morbe weiter, „aber im Kultusministerium braucht es dringend einen Neuaufbruch nicht nur bei Französisch und Englisch! Dringend notwendig ist der Aufbau eines leistungsfähigen Bildungsmonitorings unter dem Dach einer Qualitätsagentur oder eines Qualitätsinstituts, von wo aus den Schulen eine datenbasierte Unterrichtsentwicklung mit besserer Förderung ermöglicht wird. Als Sofortmaßnahme schlagen wir vor, dass das Kultusministerium in der neuen Verordnung für die Gemeinschaftsschule die Teilnahme an den schriftlichen Prüfungen für den Mittleren Bildungsabschluss in Klasse 10 wieder für alle Schüler*innen an Gemeinschaftsschulen (und nicht nur einen kleinen Teil) verbindlich macht. Damit kann mit einfachen Mitteln dafür gesorgt werden, dass das Erreichen der Bildungsstandards mit landeszentral gestellten Aufgaben bei allen Schüler*innen
in allen schriftlichen Fächern und damit auch in Französisch und Englisch überprüft wird! “
Zur Erinnerung:

  • In Englisch haben 40,3 % (SL 2015: 33,6 %; Deutschland 2022 gesamt: 14 %) der saarländischen Schüler*innen den Mindeststandard für den Mittleren Schulabschluss (MSA) im Leseverstehen und 20,5 % (D gesamt: 14 %) im Hörverstehen nicht erreicht. Das sind die mit Abstand schlechtesten Werte aller Bundesländer!
  • Auch in Französisch wurden sehr starke Kompetenzrückgänge verzeichnet. Den KMK- Regelstandard für den Mittleren Abschluss erreichten an den Gemeinschaftsschulen im Leseverstehen nur noch 6,6 % der Neuntklässer*innen (nach 14 % in 2015 und 29,8 % in 2008), im Hörverstehen nur noch 11,5 % (nach 18,8 % in 2015 und 24 % in 2008). An den Gymnasien erreichten den KMK-Regelstandard für den Mittleren Abschluss im Leseverstehen nur noch 37,8 % (nach 60,6 % in 2015), im Hörverstehen nur noch 46,4 % (nach 68,5 % in 2015). Damit sind in Französisch die aktuellen Werte auch an Gymnasien die niedrigsten im Ländervergleich.