Desaströse Entwicklung der Kompetenzstände saarländischer Schüler*innen – Saar-Grüne fordern MPin Rehlinger auf, die Bildungspolitik zur Chefinnensache zu machen!

Gute Schulen sind Schulen, die ihren Schülerinnen und Schülern die notwendigen Kompetenzen für ein gelingendes privates und berufliches Leben vermitteln. Kompetente Schüler*innen sind damit zentrales Ziel der Bildungspolitik. Dieses Ziel verfehlt das Kultusministerium jedoch laut den Bildungstrends der KMK in immer eklatanterem Maß. Die sinkende Bildungsqualität bedrohe die Zukunftsfähigkeit des Landes immer stärker. Jeanne Dillschneider und Volker Morbe, die Vorsitzenden der Saar-Grünen, fordern angesichts der riesigen Herausforderung die Ministerpräsidentin auf, die Bildung zur Chefinnensache zu machen.

Die zuletzt veröffentlichten Ergebnisse der aktuellen Bildungstrends des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) der Kultusministerkonferenz in Mathematik, Deutsch, Englisch und Französisch sind für das Saarland alarmierend. Danach sind die fachlichen Kompetenzstände der saarländischen Schülerinnen und Schüler insbesondere an den Gemeinschaftsschulen in den letzten Jahren auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern dramatisch gesunken.

IQB-Bildungstrend Mathematik 2018

Schon 2022 bezeichnete die Arbeitskammer in ihrem Bildungsbericht die Leistungsentwicklung der saarländischen Neuntklässer*innen im Kernfach Mathematik als besorgniserregend. Laut IQB-Bildungstrend 2018 wurde unter den Neuntklässer*innen im Saarland in Mathematik und in den Naturwissenschaften eine überdurchschnittlich hohe Risikogruppe festgestellt. Über 31,2 % der saarländischen Schülerinnen und Schüler verfehlten in Mathematik den Mindeststandard für den mittleren Schulabschluss – im Bundesvergleich ist das der vorletzte Platz (vor Bremen, hinter Berlin!). 2012 waren es noch 28,2 %. Den sogenannten KMK-Regelstandard für den Mittleren Abschluss erreichten nur 36,8 %. Gegenüber 2012 hat sich damit das Saarland nochmals um -3,8 Prozentpunkte verschlechtert, wobei der Deutschlandtrend mit +0,5 Prozentpunkten positiv war. Dass sich in diesen Zahlen vor allem die gravierenden Probleme der Gemeinschaftsschulen spiegeln, belegt das Abschneiden der saarländischen Gymnasiasten, wo 79,1 % den KMK-Regelstandard in Mathematik erreichten (7. Platz im Länderranking Gymnasialschüler/innen).

IQB-Bildungstrend 2022 – Deutsch

Laut IQB-Bildungstrend 2022 (Deutsch, Englisch, Französisch), der letzte Woche zum Abschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin vorgelegt wurde, scheiterte im Fach Deutsch im vergangenen Jahr im Saarland wie in Deutschland insgesamt etwa jede*r dritte Neuntklässer*in bei den deutschlandweiten Tests an Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss (MSA) im Bereich Lese- und Hörverstehen, mehr als jeder Fünfte verfehlte diese im Bereich Rechtschreibung. Besonders problematisch erscheint, dass der Kompetenzrückgang im Saarland stärker als im Bundesdurchschnitt war.

IQB-Bildungstrend 2022 – Englisch

Im Fach Englisch wird die Entwicklung der saarländischen Schülerleistungen im BT-Bericht als „eine auffällige Ausnahme auf Länderebene von den überwiegend positiven Trends“ der anderen Länder beschrieben, weil im Saarland als einzigem Land im Fach Englisch kein Anstieg der zuvor erreichten Kompetenzen zu verzeichnen ist. 40,3% (SL 2015: 33,6%; Deutschland 2022 gesamt: 14%) der saarländischen Schüler*innen haben den Mindeststandard MSA im Leseverstehen und 20,5% (D gesamt: 14%) im Hörverstehen nicht erreicht. Das sind die mit Abstand höchsten Werte aller Bundesländer! Die offengelegten Kompetenzmängel betreffen auch hier in erster Linie die Gemeinschaftsschulen, weil an den saarländischen Gymnasien in etwa der Durchschnittswert der deutschen Gymnasien erreicht wurde.

IQB-Bildungstrend 2022 – Französisch

Auch im Fach Französisch, in dem die Werte aufgrund verschiedener länderspezifischer Ausgestaltungen des Französischunterrichts nur begrenzt vergleichbar sind, wurden im Saarland sehr starke Kompetenzrückgänge verzeichnet. Den KMK-Regelstandard für den Mittleren Abschluss erreichten an den Gemeinschaftsschulen im Leseverstehen nur noch 6,6% (nach 14% in 2015 und 29,8% in 2008) der Neuntklässer*innen, im Hörverstehen nur noch 11,5% (nach 18,8% in 2015 und 24% in 2008). An den Gymnasien erreichten den KMK-Regelstandard für den Mittleren Abschluss im Leseverstehen nur noch 37,8% (nach 60,6% in 2015), im Hörverstehen nur noch 46,4% (nach 68,5% in 2015). Zum Vergleich: im gleichen Zeitraum verbesserten sich die Gymnasien in Baden-Württemberg im Leseverstehen um 7,6% auf 67,9% und im Hörverstehen um 11,2% auf 76%. Auch in Französisch an Gymnasien sind die aktuellen Werte in Französisch die niedrigsten im Ländervergleich.

Grüne Kritik und Forderungen

Für diese beispiellose Gefährdung der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit des Saarlandes macht Jeanne Dillschneider das seit mehr als einem Jahrzehnt SPD-geführte Kultusministerium verantwortlich: „In keinem anderen Bundesland ist die Entwicklung der Schülerleistungen so negativ wie im Saarland. Hier versagen nicht die Schülerinnen und Schüler, sondern das Kultusministerium versagt! Die massive Verschlechterung der Schülerleistungen im Saarland seit 2015 geht auf jahrelange Versäumnisse der Bildungspolitik zurück. Insbesondere die Gemeinschaftsschulen wurden von der Großen Koalition im Saarland sträflich vernachlässigt. Zahlreiche Brandbriefe belegen problematische Lehr- und Lernbedingungen, Lehrerstellen wurden eingespart, die Klassengrößen nicht reduziert, Förderstunden nicht ausgebaut. Insgesamt haben sich die Rahmenbedingungen besonders für Risikoschülerinnen und -schüler verschlechtert. Die jahrelange Weigerung, insbesondere Grundschulen und Gemeinschaftsschulen bessere Unterrichtsbedingungen und Fördermöglichkeiten bereitzustellen, grenzt an unterlassene Hilfeleistung der Landesregierungen!“

Anders als in anderen Bundesländern, so Volker Morbe, werde im Saarland praktisch keine datenbasierte Unterrichtsentwicklung durchgeführt, wie sie in der KMK vereinbart wurde. Morbe: „Es fehlt ein Bildungsmonitoring-System, in dem Schulen auf der Basis regelmäßiger landeszentraler Lernstandserhebungen Informationen über die Lernstände ihrer Schüler:innen erhielten und darauf aufbauend den Schulen Fördermaterialien und Förderprogramme angeboten werden können. Dass ein gutes Bildungsmonitoring einen Kompetenzzuwachs der Schüler:innen ermöglicht, zeigen die erfolgreichen Länder in den Bildungstrends, insbesondere Hamburg. Im Bildungstrend 2022 haben sich die Hamburger Neuntklässerinnen und Neuntklässer im Bundesvergleich erneut erheblich verbessert und das mit Abstand beste Ergebnis seit Beginn der bundesweiten Lernstandsuntersuchungen vor über 20 Jahren erreicht. Auch im Saarland, und das ist elementar, muss endlich ein leistungsfähiges Bildungsmonitoring aufgebaut werden. Notwendig ist die Einrichtung einer Qualitätsagentur im Bildungsministerium, die sich an der Umsetzung der Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) orientiert und, wie von den Bildungswissenschaften gefordert, den Schulen möglichst für alle Schuljahre Diagnoseinstrumente zur Lernstandsüberprüfung ebenso wie Förderprogramme zur Verfügung stellt. Angesichts des Fachkräftemangels ist es für das Saarland von existenzieller Bedeutung, dass es gelingt, alle jungen Menschen auf ihrem Bildungsweg bestmöglich zu unterstützen. Es wird jede und jeder gebraucht, wenn wir eine gute Zukunft für das Saarland sicherstellen wollen!“

Abschließend ergänzt Dillschneider: „Das Kultusministerium dürfte angesichts seiner langjährigen Untätigkeit auf dem Feld der datenbasierten Unterrichtsentwicklung und seiner Personalisierungspolitik kaum zu einer solch grundlegenden Reform in der Lage sein. Das rote Parteibuch darf nicht schwerer als Expertise wiegen. Teilweise wurden im Kultusministerium selbst höchste Leitungsstellen ohne jede Ausschreibung an Parteikolleg*innen vergeben. Die Bildungsministerin muss endlich den Fokus bei der Personalisierung auf Qualität und Leistung setzen. Frau Ministerpräsidentin, nehmen Sie ihre Richtlinienkompetenz wahr und machen Sie die Bildungspolitik zur Chefinnensache!“